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Morrien: RWE und Eon auf der politischen Schlachtbank

Newsletter vom 6.6.2011

Liebe Schlussgong-Leser,

die Stimmung am deutschen Aktienmarkt bleibt nervös. Selbst ein Abtauchen unter die 7.000-Punkte-Marke wird nicht mehr ausgeschlossen. Die große Frage ist, wann die «Schnäppchenjäger» zuschlagen.

Aktuell gibt es 2 Aktiengruppen, die als «Schnäppchen» bezeichnet werden können. Zum einen die Aktien, die 10 oder 20% unter dem Jahreshoch notieren. Zum anderen aber auch Aktien, die sich relativ stabil gehalten haben, aber gleichzeitig wesentlich bessere Gewinnaussichten besitzen.

Zur zweiten Gruppe gehört zum Beispiel die BASF-Aktie. Seit rund 6 Monaten pendelt die Aktie des weltweit größten Chemieunternehmens rund um die Marke von 60 Euro. Von Ende 2010 bis Juni 2011 ist aber die Gewinnschätzung für das laufende Geschäftsjahr um fast 20% gestiegen. Bewertungstechnisch ist die BASF-Aktie deutlich günstiger als noch zu Jahresbeginn.

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Die Sorgenkinder: Eon und RWE

Die BASF-Aktionäre ärgern sich angesichts der positiven Geschäftsentwicklung über fehlende Kursgewinne, doch das ist ein Luxusproblem. Wesentlich trauriger sieht die Lage für die Aktionäre aus, die Eon und RWE im Depot haben. Dabei galten diese Versorger-Aktien früher als «Witwen- und Waisen-Papiere».

Die beiden DAX-Schwergewichte rutschen in diesen Tagen sogar unter das Crash-Niveau aus dem Frühjahr 2009. Eine Eon-Aktie, die 2007 noch für 50 Euro gehandelt wurde, notiert aktuell nicht einmal mehr bei 20 Euro. Ein ähnliches Bild bei RWE: Die Aktie ist von knapp 100 auf unter 40 Euro abgestürzt.

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Spielball der Politik

Der Kurssturz der Versorger hat nur wenig mit der konjunkturellen Lage zu tun. RWE und Eon sind ein Spielball der deutschen Politik geworden. In immer kürzeren Zeitabständen werden die Spielregeln geändert.

Im Mittelpunkt stehen die Atomkraftwerke. Jede Regierung hat versucht, das Thema Atomenergie für sich zu nutzen. Ursprünglich gab es keine Begrenzungen bei Laufzeit und Strommenge. Dann hat Rot-Grün den mittelfristigen Ausstieg beschlossen. In der Finanzkrise benötigte der Finanzminister dringend Geld. Die Lösung: Die Laufzeiten wurden wieder verlängert, dafür müssen die Versorger eine Extra-Steuer zahlen. Das sollte mehrere Milliarden Euro pro Jahr bringen.

Die atomare Katastrophe in Japan sorgte dann erneut für eine radikale Umkehr. Regierung und Opposition lieferten sich ein packendes Duell, wer den schnellsten Ausstieg schafft. Die aktuell gültige Planung: Die alten Atomkraftwerke werden sofort abgestellt, die jüngeren in maximal 10 Jahren. Das ist der Stand heute. Jede Wahl (wahrscheinlich sogar jede Politiker-Umfrage) kann neue Spielregeln bringen.

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Unsicherheit Gift für die Unternehmen

Die Atom-Energie gehört(e) zu den profitabelsten Einheiten bei RWE und Eon. Die ständigen Veränderungen der Rahmenbedingungen führen dazu, dass eine Gewinnprognose selbst für das laufende Geschäftsjahr völlig unmöglich wird. So liegen die Gewinnschätzungen bei RWE in etwa bei 3,50 bis 7,00 Euro je Aktie. Für einen Versorger ist das eine unglaublich große Spanne.

Gewinnschätzungen im Bereich von 6 oder 7 Euro je Aktie stammen noch aus der Zeit vor der Japan-Krise, aber selbst Prognosen von 3,50 bis 5,00 Euro sind quasi unbrauchbar. Bei 3,50 Euro wäre die Aktie aktuell fair bewertet, bei 5,00 Euro ein klarer Kauf. Aber wer kauft schon die Katze im Sack? Wer kann schon sagen, wie die politischen Vorgaben nach der nächsten Wahl aussehen?

An der Börse bedeutet Unsicherheit: Fallende Kurse. Die Kurse sind zwar stärker gefallen als die durchschnittlichen Gewinnprognosen, aber solange keine Prognose länger als 3 Monate gültig ist, werden die Aktien mit einem Risiko-Abschlag bewertet.

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Enteignung löst Entschädigungspflicht aus

In den vergangenen Wochen hat speziell der Vorstand von RWE gegen die Politiker geschossen. Etwas mehr Diplomatie wäre wahrscheinlich die bessere Lösung gewesen. Jetzt greift aber auch Eon in den Konflikt ein und droht mit juristischen Schritten.

Eon geht aber etwas strategischer vor. So hat heute ein Jurist, der auch für Eon arbeitet, einen Gastkommentar im Handelsblatt veröffentlicht. Als Nicht-Jurist kann ich den Fall nicht bewerten, aber einige Argumente wirken durchaus überzeugend.

So sei eine sofortige Stilllegung eine Enteignung. Die Atom-Katastrophe in Japan sei zwar eine Tragödie, aber daraus könne nicht abgeleitet werden, dass auch die deutschen Atomkraftwerke sofort abgestellt werden müssen. Eine akute Bedrohung sei nicht nachweisbar.

Der Jurist weist darauf hin, dass in der Zeitspanne 2002 bis 2010 mehrere unterschiedliche Regierungen Atom-Gesetze verabschiedet haben. Nie war von einer sofortigigen Stilllegung die Rede. Wenn das jetzt 2011 gesetzlich geregelt werden soll, müsse die Regierung neue Fakten präsentieren, die bis Ende 2010 noch nicht bekannt waren. Genüsslich verweist der Jurist auf eine Studie der Reaktorsicherheitskommission, die noch im Vorjahr die Sicherheit der deutschen Reaktoren bestätigt hat.

Wenn der Gesetzgeber diese neue Gefährdung nicht beweisen könne, sei die Zwangs-Stilllegung eine Enteignung und löse somit eine Entschädigungspflicht aus.

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Regierung argumentiert falsch

Die Umfragen zeigen, dass die meisten Deutschen einen Atomausstieg wünschen. Da die Regierung irgendwann wieder Wahlen gewinnen will, ist die überraschende Kehrtwende in der Atompolitik sogar taktisch verständlich (wurde aber sehr schlecht in der Öffentlichkeit «verkauft»).

Das Stillegungs-Argument Sicherheit steht jedoch auf wackligen Beinen. Die Regierung wird nachweisen müssen, dass seit Ende 2010 neue technische Fakten vorliegen. Das könnte schwierig werden. Scheitert die Beweisführung, haben RWE, Eon und Co. Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung. Das würde ein neues Milliardenloch in die Kasse des Finanzministers reißen.

Taktisch klüger wäre es gewesen, die Entsorgungskosten in den Vordergrund zu stellen. Da Atommüll die Umwelt über mehrere Generationen belastet und absolut sicher gelagert werden muss, wäre das ein Hebel gewesen, um die Kosten in die Höhe zu treiben. Dann hätte sich gezeigt, dass Atom-Energie langfristig betrachtet kein «Schnäppchen» ist.

Das wäre die marktwirtschaftliche Lösung des Problems gewesen. Aber mit den Regeln der Marktwirtschaft kennt sich die aktuelle Regierung offensichtlich nicht so gut aus (wobei es die anderen Parteien mit dem aktuellen Personal auch nicht besser machen würden).

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Seminar: Hier der richtige Link

Am Freitag habe ich Ihnen hier im Schlussgong ein Börsen-Seminar vorgestellt, das ich Ende Juni zusammen mit dem Charttechniker Jörg Mahnert veranstalten werde (Charttechnik und fundamentale Analyse – das Beste aus 2 Welten). Leider hat der Link nicht überall funktioniert, wie mir einige Leser berichtet haben. Hier jetzt der passende Link: http://www.gevestor.de/reisen-seminare/einladung.html