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Neue Sanktionen sollen Russland zum Einlenken in der Ukraine bewegen

Die EU und die USA haben ihre Drohungen wahr gemacht: Aus Verärgerung über das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Krise verhängten Brüssel und Washington am Montag neue Sanktionen gegen russische Regierungsmitglieder und Unternehmen. Die Moskauer Regierung bezeichnete die US-Schritte als "abscheulich". Appelle zur Freilassung der in der Ostukraine festgehaltenen Militärbeobachter verhallten.

Die EU-Botschafter einigten sich am Montag in Brüssel darauf, 15 weitere Personen mit Konten- und Einreisesperren zu belegen. Als Grund wurde Russlands fehlende Bereitschaft zur Deeskalation der Situation angegeben, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Unter den 15 neu sanktionierten Personen sollen auch ukrainische Staatsbürger sein. Ihre Namen sollen offiziell am morgigen Dienstag im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Wie die APA aus Ministeriumskreisen erfuhr, soll der wichtigste unter ihnen Russlands Vizepremier Dmitri Kosak sein. Kosak steht auch auf der US-Sanktionsliste, ebenso wie der Vize der Präsidialverwaltung, Wjatscheslaw Wolodin.

Die Washingtoner Regierung bezeichnete die zusätzlichen Einreiseverbote und Kontensperrungen als "Antwort auf Russlands anhaltende illegale Intervention in der Ukraine und provokative Handlungen, die der Demokratie in der Ukraine schaden". Statt seine Verpflichtungen aus dem Genfer Friedensplan vom 17. April zu erfüllen, habe Moskau die Krise gar noch angefacht.

Kurz vor der Verkündung der neuen Sanktionen sagte US-Präsident Barack Obama bei einem Besuch auf den Philippinen, diese sollten Putin dazu bewegen, "nicht nur darüber zu sprechen, die Krise in der Ukraine diplomatisch zu lösen, sondern das auch zu tun". Auf der US-Liste steht neben Kosak auch der Chef des staatlichen Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin.

Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sprach nach Angaben der Agentur Interfax von einem "Realitätsverlust" der USA. Der Sanktionstext verkenne vollständig die Vorgänge in der Ukraine. Der Minister kündigte Gegenmaßnahmen an. Auch der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin bezeichnete die Sanktionen als "schrecklich". Sie könnten nicht ersetzen, was für die russischstämmigen Bürger im Osten wichtig wäre, so Kelin, der Russisch als Amtssprache, eine Verfassungsreforum und mehr Autonomie als Hauptforderungen nannte.

Der ukrainische Übergangspräsident Arseni Jazenjuk hofft indes auf eine positive Reaktion Russlands auf die neuen Sanktionen. Nur, wenn die internationale Gemeinschaft gemeinsam handle, könne Moskau dazu gebracht werden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und internationale Gesetze zu achten. "Das ist unsere einzige Chance. Die einzige Chance für mein Land und meine Regierung zu überleben", sagte Jazenjuk im Interview der Deutschen Welle.

Die Lage in der Ostukraine schaukelte sich indes weiter hoch. Wie eine Behördensprecherin mitteilte, wurde dem Bürgermeister von Charkiw (Charkow), Gennadi Kernes, in den Rücken geschossen. Sein Zustand galt nach einer Notoperation als stabil. Mutmaßlich moskautreue Aktivisten stürmten eine Polizeistation in Konstantinowka. Auf dem Militärflugplatz Kramatorsk beschossen Unbekannte die Regierungseinheiten. Zwei Sicherheitskräfte wurden verletzt.

Pro-russische Protestführer fordern in der Region seit Wochen eine Volksabstimmung, eine weitreichende Föderalisierung oder sogar eine Loslösung von der Ukraine - wie zuletzt bei der Halbinsel Krim. Dabei machen sie auch vor der Verschleppung von Ausländern nicht Halt.

Deutschland verlangte vom selbst ernannten Bürgermeister der Separatisten-Hochburg Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, das festgehaltene Team von OSZE-Militärbeobachtern, zu dem auch vier Deutsche gehören, "unverzüglich, bedingungslos und unversehrt" freizulassen. Ponomarjow lassen solche Appelle jedoch bisher kalt.

Die Festnahme der OSZE-Mitarbeiter war auch Thema einer Sondersitzung des Ständigen Rates der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Montagnachmittag in Wien. Sowohl der ukrainische als auch der deutsche Botschafter, Ihor Prokoptschuk und Rüdiger Lüdeking, zeigten sich in einem Statement nach der Sitzung besorgt. Die Ukraine versuche zur Freilassung beizutragen und arbeite eng mit der Beobachtermission der OSZE zusammen, versicherte Prokoptschuk.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow mehr Engagement von der Regierung in Moskau, um die Gefangenen freizubekommen. Der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter zeigte sich zuversichtlich, dass der Kreml seinen Einfluss geltend machen wird. Entsprechende Signale habe er erhalten, sagte der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte die Freilassung der OSZE-Beobachter, "unverzüglich, unverletzt und ohne Bedingungen". Er verurteilte die Entführung, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Die internationalen Beobachter müssten in der Lage sein, ihre Aufgaben zu erfüllen, sagte Ban.

Die bewaffneten Aktivisten werfen den seit Freitag gefangen gehaltenen Männern "Spionage für die NATO" vor und erwägen einen Austausch mit inhaftierten Gesinnungsgenossen. Die pro-westliche Regierung in Kiew lehnt dies ab. Das Berliner Außenministerium wies die Spionage-Vorwürfe als abwegig zurück.

Dass die OSZE überhaupt Mitarbeiter in die Ostukraine schickte, bezeichnete der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin als "extrem unverantwortlich. "Es war ein ziemliches Abenteuer oder eine Provokation - ich bin mir nicht sicher - Leute zu diesem Hotspot zu schicken", so Kelin am späten Montagnachmittag in Wien. Die Situation im Osten der Ukraine sei "extrem angespannt". Eine Freilassung der sieben Militärbeobachter wäre aber laut Kelin ein "guter Schritt zur Deeskalation". Unerlässlich sei aber auch ein "umfassender nationaler Dialog" zwischen Kiew und dem russisch-dominierten Osten des Landes.