Haas: Rohstoff-Rutscher
In der abgelaufenen Woche dominierten zwei Themen das Börsegeschehen (neben den üblichen politischen Nebengeräuschen, die wir aber mittlerweile gewohnt sind). Einerseits waren da die Rohstoffpreise, die in der abgelaufenen Woche recht stark einbrachen. Allen voran der Ölpreis, der im Wochenverlauf um fast 10% einknickte und sogar kurzfristig unter die psychologisch wichtige Marke von 45 US-Dollar/Barrel rutschte. Neben den bereits seit längerer Zeit im Markt bestehenden Sorgen um eine zu starke Produktion aus den USA scheinen sich die Investoren zusehends auch auf hohe Lagerbestände bei Diesel und anderen Fertigprodukten einzuschießen. Diese werden als Anzeichen für eine schlechte Nachfrage interpretiert, was in weiterer Folge auf den Ölpreis drückt. Dass es sich dabei jedoch auch durchaus um saisonale Effekte handeln könnte (viele Raffinerien in den USA erhöhen im Frühjahr traditionell ihre Lagerbestände, da sie Wartungsarbeiten vornehmen), spielt dabei im Moment keine Rolle. Befeuert wird das Ganze natürlich von manchen Investmenthäusern, die die niedrigen Preise als ein „Scheitern“ der OPEC deuten und weitere Preisverfälle prognostizieren. Interessanterweise handelt es sich dabei oftmals um dieselben Häuser, die nach der OPEC-Einigung im November von einer schnellen Rückkehr über 70 US-Dollar/Barrel sinnierten, aber wen interessiert schon ein Track Record, wenn man eine Schlagzeile produzieren kann?
Für Schlagzeilen sorgten die Woche auch einige europäische Unternehmen, die gute Quartalsergebnisse vorlegen konnten. Dass die europäischen Großbanken solide Ergebnisse abliefern würden, konnte man durchaus antizipieren, immerhin handelte es sich dabei praktisch um eine Fortsetzung des Trends der letzten Woche (unter anderem getrieben durch starke Handelsergebnisse, was auch die relative Schwäche der heimischen Institute erklären könnte, die ja bekanntermaßen mehr „echtes Bankgeschäft“ machen im Vergleich zu so manch anderer Großbank). Etwas überraschender waren da angesichts der Schwankungen an den Rohstoffmärkten schon die guten Ergebnisse der Ölfirmen, wenngleich diese in der Diskussion um den Ölpreisverfall etwas untergingen.
Gerade diese Fluktuationen helfen jedoch teilweise den Ölfirmen: Viele Unternehmen haben sich mittlerweile im Produktionsgeschäft so aufgestellt, dass sie auch bei niedrigen Preisen noch immer zumindest eine schwarze Null schaffen. Das war neben lange fälligen Einsparungen unter anderem durch Reduktionen bei den Servicekosten möglich, mit anderen Worten: die Schlumbergers und Haliburtons dieser Welt, deren Bohrmotoren und Plattformen eigentlich das Öl aus dem Boden holen, mussten „die Krot fressen“. Während die zwei angesprochenen das Ganze bisher halbwegs gut überstehen konnten (aufgrund ihrer Größe haben sie die Möglichkeit nicht gebrauchtes Equipment woanders hin zu transportieren bzw. ihrerseits wieder Zulieferer unter Druck zu setzen), sieht das Thema bei kleineren Firmen, die vielleicht noch von einem besonders gefährdeten Bereich wie Tiefseebohrungen abhängen, ganz anders aus. Nachdem hier bereits einige kurz vor der Pleite standen, rechneten einige Investoren damit, dass sich die Preise hier bald erholen müssten, sollte sich der Ölpreis stabilisieren.
Mit den aktuellen Schwankungen haben die Totals und BPs dieser Welt jedoch wieder eine gute Ausrede, denn solange die Erholung nicht „nachhaltig“ ist, werden wohl auch die Produktionskosten niedrig bleiben. Und sollten einige kleinere Unternehmen weiter in Schieflage kommen, ist durchaus die Chance gegeben, dass die eine oder andere Firma von einem Schlumberger-Zulieferer zu einer neuen Schlumberger-Tochter wird, denn in der nächsten Erholung könnte man die Technologie ja brauchen (was aber natürlich immer sehr stark von der Kundenstruktur abhängt; ein gutes Beispiel wäre die heimische SBO, die an praktisch alle großen Serviceunternehmen liefert. Daher ist eine Übernahme durch eine der Firmen wohl unwahrscheinlich, da sie damit einen großen Teil des Kundenstocks verlieren würde)
Aber nicht nur der Ölpreis gab diese Woche deutlich nach, die Schwäche zog sich eigentlich durch praktisch alle Rohstoffe, von Kupfer über Gold bis hin zu Stahl und Eisenerz. Bei einer derart breiten Bewegung in eine Richtung muss man sich natürlich immer die Frage stellen, ob es hier einen gemeinsamen Grund gibt. Schwächelndes Wirtschaftswachstum wäre natürlich eine Möglichkeit, die man durchaus ernst diskutieren muss. Wären wir nicht gerade mitten drin in einer der besten Berichtsaisonen der letzten Jahre, wäre dies durchaus ein Grund zur Sorge. Dass sich ein paar Firmen in einer Branche mit ihrem Ausblick mal täuschen können ist durchaus möglich und sogar nicht unwahrscheinlich. Aber dass eine Vielzahl an Unternehmen, aus unterschiedlichen Branchen von einer guten Konjunktur und einem schönen Wirtschaftswachstum ausgehen und sie alle falsch liegen, wäre doch ein recht unglücklicher Zufall.
Ein weiterer möglicher Übeltäter für zumindest einen Teil einer derart breiten Bewegung bei Rohstoffen ist oftmals der US-Dollar. Da die meisten wichtigen Rohstoffe in Dollar notieren, bewirkt eine Abschwächung der US-Währung tendenziell einen Rückgang bei den Rohstoffpreisen (da sie ansonsten für Nicht-USD Käufer günstiger werden). In der Tat ist der Dollar seit Beginn des Jahres gegenüber den meisten Währungen im Rückwärtsgang, seit dem ersten Durchgang der Frankreichwahl verlor er auch deutlich im Vergleich zum Euro. Ganz im Gegenteil übrigens zur einhelligen Meinung zu Jahresbeginn, wo die meisten Analysten (und ehrlicherweise auch wir) tendenziell von steigenden Dollarkursen ausgegangen waren…
Wie weit sich diese Bewegung noch fortsetzen kann ist schwierig zu sagen, eine Vielzahl von Faktoren spielen hierbei eine Rolle: von der relativen wirtschaftlichen Entwicklung (die Währung der „stärkeren“ Volkswirtschaft sollte tendenziell aufwerten), hin zu Handels- und Kapitalflüssen, der Zinsentwicklung und sogar politische Tendenzen. Angesichts dieser Tatsachen ist es wohl kein Wunder, dass viele Analysten beim Thema Währungen gerne zur Charttechnik greifen. Aber auch ähnlich treffsichere Methoden wie Münzwurf, Kaffesud lesen oder Bauchgefühl bieten sich an. Vielleicht sollten wir als Analysten kollektiv auch mal zugeben, dass es einfach gewisse Dinge gibt, die sich über einen längeren Zeitraum kaum ernsthaft vorhersagen lassen? Der Glaubwürdigkeit würde es wahrscheinlich nicht schaden…