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Haas: Oil’s well?

So schnell sie angefangen hatte, so schnell war die große Sektorrotation der letzten Woche (raus aus Technologie, rein in defensivere Werte) auch schon wieder vorbei. Dementsprechend konnte auch der Technologie-lastige NASDAQ-100 Index um über 1,4% zulegen und sich damit an die Spitze der internationalen Indices setzen. Am anderen Ende des Kurszettels fand sich diesmal leider der heimische Markt, der knapp über 1,7% verlor. Neben den Banken, bei denen vor allem einige negative Analystenkommentare auf den Kursen lasteten, sorgten hauptsächlich die Ölwerte für Sorgenfalten bei den Investoren.

Der Grund dafür ist recht schnell gefunden: der Ölpreis! Bereits seit einigen Wochen scheint es für das schwarze Gold nur eine Richtung zu geben: gen Süden. Diese Woche wurde die psychologisch wichtige Marke von USD43/bbl durchbrochen, was einige Investoren wohl den letzten Nerv gekostet haben dürfte. Ölfirmen wurden auf breiter Basis verkauft, inklusive Zulieferern und anderen Firmen, die eine periphere Verbindung zum Sektor haben. Nicht umsonst ist der Ölsektor in Europa mit einem Minus von über 9% seit Jahresbeginn bei weitem der schlechteste Performer…

Was hat allerdings den Rückgang beim Öl ausgelöst? Hätte nicht die OPEC-Vereinbarung eigentlich als Schutzschirm dienen sollen? Eindeutig jein! Sicherlich hatte der „Output-Freeze“ einen positiven Effekt auf den Ölpreis, denn ohne eine Verlängerung der Maßnahmen würden wir wohl von deutlich niedrigeren Levels sprechen. Gleichzeitig gab es aber auch bereits beim Abschluss des Deals einiges an Kritik. Ein Knackpunkt war, dass es auch innerhalb der OPEC einige Ausnahmen gab, unter anderem Nigeria und Libyen. Beide Länder wurden ausgespart, da hier aufgrund von Konflikten die Produktion stark eingeschränkt war. Zwar ist die Situation in beiden Ländern nach wie vor angespannt, aber zumindest das Öl fließt im Moment wieder. Das ist zwar grundsätzlich gut für die heimische OMV, da sie größere (und hochprofitable) Kapazitäten in Libyen hat. Für Öl bedeutet das jedoch zusätzliches Angebot, was wiederum auf die Preise drückt.

Der zweite wichtige Faktor dürfte die US-Schiefergasindustrie sein. Wie nicht anders zu erwarten war, nutzten die US-Produzenten den Rückenwind der höheren Preise um ihre Produktion stark auszuweiten, was recht bald nach der OPEC-Einigung zu einem Stoppen der Aufwärtsbewegung führte. Als die Preise dann aufgrund des zusätzlichen Angebots aus Libyen und Nigeria wieder zu fallen begannen, war man ursprünglich davon ausgegangen, dass die US-Produzenten ebenfalls wieder auf die Bremse treten. Bis jetzt ist das jedoch noch nicht geschehen, die Anzahl der aktiven Bohrtürme stieg Woche für Woche kontinuierlich an.

Was war hier schief gelaufen? Eine mögliche Erklärung könnten Absicherungen sein, die die Firmen bei deutlich höheren Preisen abschlossen. Diese erlauben es ihnen, ihr Öl zu einem fixierten Preis zu verkaufen, egal was WTI macht. Ein weiterer möglicher Faktor könnten bereits angelaufene Projekte sein, die kurzfristig aufgrund von Verträgen nicht gestoppt werden können. US-Schiefergasproduzenten sind zwar vergleichsweise agil mit Reaktionszeiten von mehreren Wochen (gegenüber Vorlaufzeiten von mehreren Jahren beispielsweise bei Tiefseebohrungen), aber auch sie können nicht sofort den Hahn auf und zu drehen.

Beide Effekte sind jedoch eher temporärer Natur: In einigen Wochen sollten die US-Produzenten Projekte wieder stoppen können und auch Absicherungen laufen früher oder später wieder aus. Damit der Ölpreis weiterhin so niedrig bleibt, müsste es wohl schon andere Gründe geben, wie eine weitere Senkung der Bohrkosten oder gar ein Zerfall der OPEC-Vereinbarung. Während letzteres ein politisches Thema ist und daher immer eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit hat (auch wenn sie nicht sonderlich groß ist), dürfte bei den Bohrkosten wohl nicht mehr allzu viel gehen.

Dabei sprechen wir hier nicht von Effizienzsteigerungen von einigen Prozent, wie sie auch in den letzten Jahren immer wieder erzielt wurden. Hierbei geht es um Preisnachlässe seitens der Bohrfirmen im Ausmaß von 20-40% und sogar noch mehr, schlimmer als bei jedem Sommerschlussverkauf im Juni. Angesichts der Tatsache, dass einige kleinere Firmen bereits mit Banken um ihren Weiterbestand kämpfen und sogar die großen, dominanten Player wie Schlumberger und Haliburton stöhnen, sind größere Bewegungen hier wohl kaum realistisch.

Kaum überraschend dürfte es den geneigten Leser, dass sich immer mehr Analysten auf den bestehenden Trend setzen. Täglich gibt es Kürzungen der Schätzungen für den Ölpreis und der eine oder andere versucht sogar mit der Aussage „Die OPEC wird zerfallen“ für Schlagzeilen zu sorgen. Die Position der Investoren hat dementsprechend gedreht: Von über-optimistisch zu „nichts kann dem Ölmarkt jetzt noch helfen“. Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen. Zwar wird es bis zu einer deutlichen Erholung noch einige Zeit dauern (2018/19 könnte ein guter Zeitrahmen sein, wenn die Produktion der größeren Offshoreprojekte beginnen dürfte zu schwinden; aber das ist ein Thema für ein anderes Mal J), einige Firmen werden aber derzeit so behandelt, als ob der Ölpreis sich niemals erholen könnte. Geduldige Investoren, die nicht an die absoluten Horrorszenarien glauben, könnten dadurch den einen oder anderen Rohdiamanten auflesen…