Verbund: Die Geschichte der großen Trockenheit
Es war einmal ein Kaufmannsladen im schönen Vindobona, einer größeren Stadt an der Donau, der verkaufte elektrisierende Ware die er aus den Kräften des Wassers gewinnen konnte. Dieser Kaufmannsladen, die Leute nannten ihn Verbund, betete tagein, tagaus zu seinen heiligen Quellen mit den Worten: „Danke Wasserkraft!“ woraufhin diese genügend elektrisierende Ware lieferte. Doch eines Tages kam die große Trockenheit. Die Temperaturen stiegen an, es regnete nicht mehr und die Wasserstände der Flüsse wurden immer niedriger und lieferten nicht mehr genug elektrisierende Ware für den Kaufmannsladen. Daraufhin mussten die Besitzer ebendieses bei anderen Händlern teure elektrisierende Ware einkaufen, damit sie bereits abgeschlossene Abmachungen mit Kunden erfüllen konnten. Na, sie glauben das ist alles nur ein Märchen und kann nie wahr sein? Halten Sie sich fest, diese Geschichte entspricht der Wahrheit und hat tatsächlich im Jahr 2018 hier in Europa stattgefunden. Der Verbund präsentierte vergangene Woche seine Ergebnisse vom dritten Quartal 2018 und musste einen deutlichen Ergebnisrückgang beim operativen Ergebnis (-50%) und beim Periodenergebnis (-52,2%) verzeichnen. Aufgrund der niedrigen Wasserführung konnte man nicht genügend Strom erzeugen um die bestehenden Verträge zu erfüllen und musste zum aktuell sehr teuren Spotpreis Strom nachkaufen. Trotz dieser schwachen Quartalsperformance konnte die Aktie am Tag der Veröffentlichung im Plus schließen, was einige Investoren ratlos zurückließ.
Doch beim Verbund kann man sich wahrlich nicht über eine schwache Entwicklung der Aktie beschweren. Mit einer Performance von +90,8% seit Jahresbeginn stellt man den stärkst performenden Einzeltitel im ATX prime Segment im Jahr 2018 dar. Getrieben wurde diese starke Entwicklung vor allem von einem stark ansteigenden Strompreis und CO² Preis. Hinzu kamen die Diskussionen der letzten Wochen über die Aufnahme der Verbund-Aktie in die Gruppe der MSCI World Indizes, die sich positiv auswirkten. In den vergangenen 5 Jahren konnte ein Gesamtertrag von 167% erwirtschaftet werden. Da der Verbund zu 100% Strom aus erneuerbaren Energie wie Wasserkraft und Windkraft produziert, ist man sehr abhängig von den äußeren Gegebenheiten. Die Wasserkraft liefert hierbei mit Abstand den größten Teil des Stroms, weshalb Trockenperioden und somit niedrige Wasserführungen, die Gewinne stark beeinflussen. Da ein Großteil der erzielten Preise bereits im Vorfeld gehedged wird (1-2 Jahre im voraus) profitiert man erst zeitlich verzögert von steigenden Strompreisen. Alarmierend könnte für einige Anleger das hohe 2018e KGV von 36,4 sein. Wenn man sich vor Augen hält, dass man beim Verbund wohl nicht von einem growth stock sprechen kann, erscheint dies doch recht ambitioniert.
Zu den größten Mitbewerbern von Verbund am europäischen Strommarkt zählen E.ON, RWE, Engie und EDF. Wenn man die Performance der letzten 5 Jahre betrachtet, lassen sich komplett konträre Entwicklungen zwischen Verbund und seinen Konkurrenten aus Deutschland und Frankreich feststellen. Während der Aktienpreis von Verbund durch die Decke schoss, mussten Anleger aller vier zuvor genannten Mitbewerber mit Verlusten kämpfen. Der möglicherweise wichtigste Grund für diese unterschiedlichen Entwicklungen ist die unterschiedliche Erzeugungsart des Stromes. Während der Verbund vor allem durch Wasserkraftwerke und Windkraftwerke grünen Strom produziert, ist dies bei der deutschen und französischen Konkurrenz nicht der Fall. Bei den deutschen Energieversorgern hängt die Produktion noch stark an Kohlekraftwerken und in Frankreich an Atomkraftwerken. Dies führt dazu, dass Verbund, im Gegensatz zu den Konkurrenten von der EU CO²-Zertifikate zugewiesen bekommt, die in weiterer Folge teuer an den Markt verkauft werden können. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das eine 5-Jahresperformance inklusive Dividende von -7,7% (E.ON), -18,1% (RWE), -5,7% (Engie) und -16,1% (EDF). Insbesondere seit dem Jahr 2017 sieht man eine deutliche Abkopplung der Preisentwicklung des Verbunds von seinen internationalen Mitbewerbern. Seit Jahresbeginn konnte noch am ehesten EDF (+47,4%) mit dem Verbund mithalten. Es bleibt abzuwarten, wie lange es dauern wird bis alle Energieversorger von den derzeit sehr hohen Strompreisen profitieren können. Da ein Großteil des Preises bereits 1-2 Jahre im vorhinein gehedged wird, könnte man möglicherweise in den Jahren 2019 und 2020 positive Effekte erkennen. In Bezug auf das 2018e KGV liegen die Werte der internationalen Energieversorger deutlich unter jenen vom Verbund (E.ON: 13,6; RWE: 13,9; Engie: 12,4; EDF: 23,7).
Um uns die Entwicklung des Strompreises näher vor Augen zu führen haben wir den Preis des generischen ersten Futures in Deutschland (PHELIX) der letzten 5 Jahre herangezogen. Und eines lässt sich deutlich herauslesen, der Preis ist derzeit so hoch wie seit Anfang 2012 nicht mehr! Nach dem Erreichen eines Allzeit Hochs von 88,3 Euro/MWh im Jahr 2008 befand sich der Preis auf einer 8 Jahre andauernden Talfahrt bis zum Jahr 2016 als man den Tiefststand von 21,5 Euro/MWh erreichte. Seitdem ist hingegen wieder ein rasanter Anstieg des Preises zu beobachten, insbesondere im aktuellen Jahr. Der Preis konnte im Jahr 2018 um mehr als 40% zulegen und liegt aktuell bei 52,8 Euro/MWh. Ein besonderer Einflussfaktor auf den Strompreis ist derzeit der Preis für CO²-Zertifikate der in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Die EU hat bereits angekündigt, dass die Anzahl dieser Verschmutzungsrechte in den kommenden Jahren laufend reduziert werden soll. Diese Ankündigung führte zu ersten „Hamsterkäufen“ einiger Unternehmen, weshalb der Preis bereits dieses Jahr deutlich anzog. Während man vor einem Jahr noch rund 5 Euro pro ausgestoßene Tonne CO² bezahlen musste sind es nun rund 20 Euro. Und damit schließen wir unsere heutige Märchenstunde schon wieder. Wie die Geschichte endet wird erst die Zukunft weisen und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Relevante Links: VERBUND AG, E.ON SE, RWE AG, Uniper SE