Nichts für schwache Nerven (Nicolas Kneip)
Heute richte ich mich direkt an die Adrenalinjunkies innerhalb unserer Leserschaft. Sie können keinen Vergnügungspark betreten ohne die steilste und schnellste Achterbahn auszuprobieren, keine Go-Kart Strecke, keine Bungee Jumping Gelegenheit auslassen und mögen es allgemein gerne verrückt und wild? Dann sind Sie hier genau richtig, denn heute beschäftigen wir uns mit den größten Achterbahnfahrern der Aktienmärkte und starten direkt bei unserem Lieblingsnachbarn Deutschland, genauer beim Münchner Finanzdienstleister Wirecard. Seit Beginn des Jahres hat die Aktie einen wilden Ritt hinter sich mit vielen Auf und Abs. Tägliche Aktienbewegungen im mittleren einstelligen Prozentbereich kamen im bisherigen Geschäftsjahr durchaus öfter vor. Diese standen vor allem im Zusammenhang mit dem in Medienberichten, insbesondere in der Financial Times, erhobenen Verdacht krimineller Bilanzfälschungen in Singapur. Im Zuge zahlreicher Dementis, einer Klage (Wirecard verklagte die FT wegen Kursmanipulation) und neuer Zeitungsartikeln der Financial Times wies der Aktienkurs eine hohe Volatilität auf. Zuletzt erhob die britische Finanzzeitung weitere Vorwürfe, wonach die Hälfte des weltweiten Umsatzes und ein Großteil des Wirecard-Gewinns in der Vergangenheit von drei undurchsichtigen Partnern stammten, welche von Wirecard bereits wieder umgehend dementiert wurden.
Insgesamt stürzte der Aktienkurs nach der Veröffentlichung des Singapur-Skandals Ende Jänner um 42% ein und konnte sich nach einigen Schwankungen, die größtenteils auf neue Details in der Causa zurückzuführen waren, wieder stabilisieren. Am 23.04. schlug die Nachricht, dass der renommierte und einflussreiche japanische Softbank-Konzern bei Wirecard als Ankeraktionär einsteigen wird, hohe Wellen. Demnach soll in einem ersten Schritt eine Wandelschuldverschreibung in Höhe von 900 Mio. Euro erworben werden und den Beginn einer strategischen Partnerschaft darstellen. Nach einer Laufzeit von 5 Jahren kann die Anleihe in gut 6,9 Mio. Aktien des DAX-Konzerns (5,6% des Grundkapitals) zu einem Preis von 130 Euro je Stück gewandelt werden. Am Tag der Veröffentlichung hat die Wirecard Aktie um rund 16% zugelegt und konnte damit einen Teil der Kursverluste im Zusammenhang mit den Vorwürfen der FT wieder gutmachen. Vergangene Woche, am 25.04., präsentierte der Zahlungsabwickler seine Zahlen zum Geschäftsjahr 2019, die im Rahmen der Erwartungen lagen und den starken Wachstumspfad der letzten Jahre weiterskizzieren. Zu den Singapur-Vorwürfen sah sich der österreichische Wirecard-Chef Markus Braun in seiner Einschätzung nun nicht nur von eigenen Rechtsanwälten, sondern auch von seinen Wirtschaftsprüfern bestätigt. Bei der Durchsicht des Geschäftsberichts und weiterer Unterlagen konnte Ernst & Young (EY) keine Hinweise auf größere Verfehlungen finden und erteilte dem Zahlungsdienstleister ein uneingeschränktes Testat für das Jahr 2018.
Sie glauben wilder geht es nicht mehr? Falsch gedacht, in Premstätten, Steiermark beweist ein Unternehmen, dass man Investoren in noch kürzerer Zeit verzücken, aber auch in tiefe Trauer stürzen kann. Die Rede ist von dem in der Schweiz hauptgelisteten Halbleiterhersteller ams, der nach einer beispiellosen Talfahrt im Geschäftsjahr 2018 zu den am stärksten performenden Aktien im Jahr 2019 zählt. Derzeit sind tägliche Kursbewegungen von 5-10% keine Seltenheit und stellen für Daytrader nahezu paradiesische Rahmenbedingungen dar. Vergleicht man die Erholung der Aktie seit Jahresanfang jedoch mit dem Verfall 2018, so erweckt dieser Anstieg den Eindruck des sprichwörtlichen Tropfens auf dem heißen Stein. Einer Aktienperformance von -75% im Jahr 2018 steht ein Rebound von +47% im Jahr 2019 entgegen. Diese Werte scheinen nicht so weit voneinander entfernt zu sein, jedoch macht einem hierbei die Mathematik, in Form des Basiswerts, einen Strich durch die Rechnung. Um den Kurs des Jahresanfangs 2018 wieder zu erreichen würde man einen 2019 YTD Anstieg von +300% benötigen. Der starke Rückgang im vergangenen Jahr war vordergründig auf ein langsameres Wachstum zurückzuführen, das wiederum stark mit den schwachen Verkaufszahlen des Schlüsselkunden Apple zusammenhing. Hinzu kam, dass die Bewertung des Unternehmens, mit einem 12M forward KGV jenseits von 40, einigermaßen ambitioniert war.
Sie haben immer noch nicht genug? Gut, einen kleinen Leckerbissen haben wir noch für Sie, auch wenn er nicht ganz so spektakulär ist wie die bereits genannten. Wir verlassen die Finanzbranche und die Hightech-Industrie und betrachten den Öl- und Gassektor, vor allem Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment. Die Aktie weist die stärkste YTD-Performance im gesamten ATX auf, jedoch ist hier neben operativen Verbesserungen, vor allem die deutlich erkennbare Korrelation zum Ölpreis die maßgebende Treibkraft. Dieser hatte innerhalb der vergangenen 12 Monate eine sehr wilde und aufregende Fahrt hinter sich. Aufgrund von US-Sanktionen gegenüber dem Iran (die zeitweise wieder ausgesetzt wurden), sowie von Produktionserweiterungen und –kürzungen der OPEC kam es zu sehr volatilen Ölpreisen, die in der zweiten Jahreshälfte 2018 stark fielen. Parallel hierzu büßte auch die SBO-Aktie von Anfang Oktober bis Ende Dezember 2018 rund 40% an Wert ein. Durch die Erholung des Ölpreises gepaart mit operativen Verbesserungen und einer starken Auftragslage konnte man seit Jahresbeginn wieder um 48% zulegen.
Nun wünsche ich Ihnen noch eine schöne Woche und hoffe, Ihnen ist durch das viele Auf und Ab nicht schwindelig geworden und Sie konnten dennoch einen klaren Durchblick bewahren!
Relevante Links: ams-OSRAM AG, Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG, Wirecard AG