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Ex-Bankmanager: Wollten uns bei Wirecard nicht "zum Deppen machen" / Commerzbank zog nicht rechtzeitig Reißleine - Bis kurz vor Pleite Zweifel an Vorwürfen gegen Wirecard

Bis kurz vor der milliardenschweren Wirecard-Pleite hatte selbst einer der größten Kreditgeber des Finanzdienstleisters noch Zweifel an der Stichhaltigkeit der Vorwürfe gegen das Unternehmen. Der damals für die Kredite verantwortliche Risikovorstand der Commerzbank, Marcus Chromik, sagte am Donnerstag als Zeuge im Betrugsprozess gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun, letztlich habe die Bank wegen Ungereimtheiten bei Wirecard die Geschäftsbeziehung beenden wollen.

"Zu dem Zeitpunkt hatten wir immer noch das Risiko, dass wir komplett falsch liegen", sagte der heutige Unicredit-Manager vor dem Landgericht München. "Wir wussten nicht, ob wir komplett falsch liegen und uns zum Deppen im Markt machen."

Der jahrelang boomende Wirecard-Konzern galt einst als Star im Online-Zahlungsgeschäft und hatte 2018 sogar die Commerzbank aus dem DAX (Deutscher Aktienindex) verdrängt. Doch 2020 brach Wirecard zusammen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Mrd. Euro fehlten. Es ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Unter den Geschädigten ist neben zahlreichen Anlegern auch die Commerzbank. Sie hatte Wirecard gemeinsam mit anderen Banken 1,75 Mrd. Euro geliehen. Ihr Anteil belief sich auf 200 Mio. Euro. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hatte Wirecard Umsätze und Gewinne in großem Stil erfunden. Sie spricht von Betrug, Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Untreue. Der gebürtige Österreicher und Ex-Chef Braun, der mit zwei weiteren Ex-Managern auf der Anklagebank sitzt, weist die Vorwürfe zurück.

Chromik sagte am Donnerstag, Wirecard sei als attraktiver Kunde erschienen. Die Geschäftsbeziehung habe sich über Jahre gut entwickelt. "Das bedeutet zum einen, dass das Unternehmen wächst. Und damit wächst, was die Bank damit verdienen kann", sagte der Manager. "Und zum anderen gab es damit meines Wissens keine negativen Erfahrungen." Die Commerzbank habe darauf vertraut, dass die Wirtschaftsprüfer die Bilanzen geprüft hätten. Erst als sich nach der Medienberichterstattung über zunehmende Ungereimtheiten bei Wirecard ein Geldwäscheverdacht konkretisiert habe, habe die Commerzbank entschieden. "Wir müssen die Geschäftsbeziehung beenden", sagte Chromik. Man habe die Kredite sukzessive herunterfahren wollen. "Letztlich kam es jedoch nicht zu einer signifikanten Reduktion bis zur Insolvenz."

sag/smt

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