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APA ots news: Twin Peaks - haben die österreichischen Kreditzinsen für Unternehmen und Haushalte ihren Höhepunkt erreicht?
Wien (APA-ots) - Am 12. Juni 2024 schraubte der EZB-Rat seine Leitzinsen
erstmals seit Beginn der Zinsanhebungsphase im Juli 2022 wieder etwas
zurück. Wir nützen die Gelegenheit, um auf den vergangenen
Zinsanhebungszyklus zurückzuschauen. Dabei fällt uns auf, dass die
Erhöhung der Leitzinsen dem historischen Muster entsprechend an die
Zinskosten für Wohnbau- und Unternehmenskredite weitergegeben wurde.
Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft lässt uns davon ausgehen, dass
der Plafond bei den Kreditzinsen erreicht ist.
Geldpolitik steuert Geldmarktzinsen und beeinflusst auf diese
Weise ihre Kreditzinsen
Der EZB-Rat setzt die geldpolitischen Leitzinsen für den Euroraum
und hob diese seit Juli 2022 von -0,5 % (unterer Rand des
Leitzinskorridors) in insgesamt zehn Schritten auf 4,0 %. Mit ihrem
Leitzinskorridor gelang es der EZB folglich den kurzfristigen
Zinssatz STR (Euro Short-Term Rate) genau zu steuern.1) Auch
längerfristige Geldmarktzinsen folgten den geldpolitischen Signalen
eng. So stieg zum Beispiel der 12-Monats-EURIBOR von -0,5 % Ende
2021/Anfang 2022 auf etwas über 4 % in der zweiten Jahreshälfte 2023.
Zahlreiche Studien belegen, dass die Geldpolitik über den Weg der
Geldmarktzinsen die Kreditzinsen für Haushalte und Unternehmen
beeinflusst. [Ferstl et al. (2023)]
(https://www.oenb.at/dam/jcr:c79ea078-c0dc-4668-8f61-eabbff11e3bb/02 _
Mop-Q4-23_The-pass-through-of-policy-interest-rates.pdf) zeigen etwa,
dass sowohl die Kreditzinsen in Österreich als auch jene im gesamten
Euroraumaggregat eng mit dem 12-Monats-EURIBOR verbunden sind.
Wie in [Grafik 1 ]
(https://www.oenb.at/Presse/oenb-blog/2024/2024-07-01-twin-peaks-hab e
n-die-oesterreichischen-kreditzinsen-fuer-unternehmen-und-haushalte- i
hren-hoehepunkt-erreicht.html)zu sehen, begann der 12-Monats-EURIBOR
in Erwartung steigender Leitzinsen bereits im Frühjahr 2022 - und
damit deutlich vor dem ersten EZB-Leitzinsschritt im Juli 2022 - zu
steigen. Die Grafik macht des Weiteren deutlich, dass ihm die
Kreditzinsen in Österreich eng folgten: Um dies zu zeigen, verwenden
wir den Gesamtindikator für die Zinskosten für neu vergebene
Wohnbaukredite von Haushalten sowie jenen für neu vergebene
Unternehmenskredite in Österreich. Beide Indikatoren berücksichtigen
Kredite mit unterschiedlichen Zinsbindungsfristen sowie
unterschiedlichen Größen und gewichten die verschiedenen Kategorien
mit ihrem jeweiligen Kreditvolumen.²) Sowohl der Indikator für
Wohnbau- als auch jener für Unternehmenskredite begann seinen
Aufwärtstrend ebenfalls vor der ersten Leitzinsanhebung im Juli 2022.
Anstieg der Zinskosten für Wohnbau- und Unternehmenskredite
entspricht historischem Muster
Die geldpolitischen Leitzinsen stiegen zwischen Juli 2022 und
September 2023 um insgesamt 4,5 Prozentpunkte, der 12-Monats-EURIBOR
folgte ihnen eng (mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf) und nahm
(zeitweise) sogar um etwas mehr als 4,5 Prozentpunkte zu. Dieses
leichte Überschießen des 12-Monats-EURIBOR kann entweder durch
schwankende Risikoprämien wegen der längeren Laufzeit oder durch
fehlgeleitete Erwartungen weiterer Zinsanhebungen, die letztlich
ausgeblieben sind, erklärt werden. Schließlich kletterte auch der
Gesamtindikator für die Zinskosten für Unternehmenskredite in
Österreich um rund 3,8 Prozentpunkte und jener für die Zinskosten für
Wohnbaukredite von Haushalten in Österreich um rund 3,0 Prozentpunkte
nach oben. Dementsprechend gaben die österreichischen Banken den
Anstieg bei den Leit- bzw. Geldmarktzinsen nicht in vollem Ausmaß an
ihre Kund:innen weiter, wobei die Zinsweitergabe an Unternehmen mit
rund 80 % stärker ausfiel als jene an Haushalte mit rund 70 %.
Die Ergebnisse von [Ferstl et al. (2023)]
(https://www.oenb.at/dam/jcr:c79ea078-c0dc-4668-8f61-eabbff11e3bb/02 _
Mop-Q4-23_The-pass-through-of-policy-interest-rates.pdf) deuten
darauf hin, dass die Zinsweitergabe an die Kreditzinsen in Österreich
in den letzten 25 Jahren generell symmetrisch, aber nicht vollständig
war. Das heißt, dass sowohl bei Zinsanhebungen als auch bei
-senkungen Änderungen der Leitzinsen nicht 1:1 an die
Kunden:innenzinsen weitergegeben wurden. Mit anderen Worten: Banken
schützten ihre Kreditkund:innen in der Regel vor starken
Zinsschwankungen.
Der enge Zusammenhang zwischen dem aktuellen Zinsanstieg bei
Wohnbaukrediten und jenem aus der Vergangenheit überrascht jedoch:
Österreichische Haushalte haben sich nämlich in den letzten Jahren
vermehrt von variabel verzinsten Wohnbaukrediten abgewandt und
verstärkt Wohnbaukrediten mit einem Zinssatz, der mehr als ein Jahr
gebunden ist, zugewandt. [Formanek und Pöchel (2024)]
(https://www.oenb.at/Publikationen/Statistik/Statistiken---Daten-und -
Analysen/2024/statistiken-daten-und-analysen-h1-24/html-version.html )
zeigen, dass sich der Anteil von gebundenen Krediten im
österreichischen Wohnbaukreditbestand von 27 % im Jahr 2018 auf
zuletzt 57 % im Jahr 2023 erhöht hat. Für die Neukreditvergabe
bedeutet dieser kontinuierliche Anstieg folglich eine noch
deutlichere Verschiebung hin zu gebundenen Wohnbaukrediten. Da
gebundene Kredite als Versicherung gegen starke Zinsausschläge -
sowohl nach oben als auch nach unten - verstanden werden können, wäre
eine Abschwächung in der Zinsweitergabe eine logische Konsequenz
dieser strukturellen Verschiebung. Trotzdem hat sich die
Zinsweitergabe im Aggregat nicht abgeschwächt, sondern entspricht
ihrem historischen Muster.
Zinskosten für Kredite in Österreich scheinen ihren Höhepunkt
erreicht zu haben
Wie schon in der Zinsanhebungsphase im Jahr 2022 deutlich zu
beobachten war, so zeigt Grafik 1 auch für die aktuelle
Zinssenkungsphase, dass die Geldmarktzinsen bereits vor der
Leitzinsänderung vom 12. Juni 2024 zu sinken begannen. So hat z. B.
der 12-Monats-EURIBOR in Erwartung künftiger Leitzinssenkungen
bereits im Herbst letzten Jahres mit einer deutlichen
Abwärtsentwicklung begonnen und ist seither um rund 0,5 Prozentpunkte
gesunken.
Den historischen Mustern entsprechend scheinen folglich auch die
Zinskosten für Kredite in Österreich ihren Plafond erreicht zu haben:
Für den Gesamtindikator für die Zinskosten österreichischer
Wohnbaukredite zeigt Grafik 2 bereits seit Oktober letzten Jahres
eine Seitwärtsbewegung knapp über 4 %. Der Gesamtindikator für die
Zinskosten von Unternehmenskrediten scheint ebenfalls bei seinem
Höhepunkt von knapp über 5 % angekommen zu sein.
Ein Vergleich von linker und rechter Seite von [Grafik 2]
(https://www.oenb.at/Presse/oenb-blog/2024/2024-07-01-twin-peaks-hab e
n-die-oesterreichischen-kreditzinsen-fuer-unternehmen-und-haushalte- i
hren-hoehepunkt-erreicht.html) macht deutlich, dass traditionell die
Zinsen von Unternehmenskrediten rascher auf Leitzinsänderungen
reagiert hatten als jene von Wohnbaukrediten. Im jüngsten
Zinsanhebungszyklus (2022-23) haben jedoch auch die Zinsen für
Unternehmenskredite eine gewisse Trägheit in ihrer Reaktion an den
Tag gelegt. Der Gesamtindikator für die Zinskosten für
Unternehmenskredite hat 2022 rund zwei Monate langsamer auf die
Entwicklungen am Geldmarkt reagiert als in früheren Zeiten.
Aktuell gehen die Finanzmärkte von weiteren Leitzinssenkungen im
heurigen und im nächsten Jahr aus. Diese werden jedoch - wie der
EZB-Rat betont - von seiner Einschätzung der Inflationsaussichten und
damit der Erreichung des Preisstabilitätsziels von 2 % abhängen. Das
heißt, nur wenn sich die Inflation ausreichend schnell in die
erwartete Richtung von 2 % bewegt, werden die Zinsen weiter gesenkt
werden. Sollte dies - wie von den Finanzmärkten erwartet - eintreten,
so werden auch die Geldmarktzinsen ihren Abwärtstrend fortsetzten und
die Kreditzinsen für Unternehmens- und Wohnbaukredite von Haushalten
folgen. Für den Fall, dass sich die Trägheit der Reaktion der
Zinskosten für Unternehmenskredite in der aktuellen Zinssenkungsphase
nicht weiter verstärkt, ist davon auszugehen, dass auch sie den
sinkenden Geldmarktzinsen rasch folgen werden [(siehe Grafik 2)]
(https://www.oenb.at/Presse/oenb-blog/2024/2024-07-01-twin-peaks-hab e
n-die-oesterreichischen-kreditzinsen-fuer-unternehmen-und-haushalte- i
hren-hoehepunkt-erreicht.html).
1) Weil das Eurosystem seit 2015 in Reaktion auf diverse Krisen eine
große Menge an Überschussreserven geschaffen hat, orientieren sich
die kurzfristigen Zinsen auf dem unbesicherten Geldmarkt seither am
unteren Rand des Leitzinskorridors und nicht wie vor 2008 am Zinssatz
für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, der in der Regel die Mitte des
Korridors markierte.
²)Zur Berechnung des Gesamtindikators der Kreditkosten für neue
Wohnbau- und Unternehmenskredite wird ein Gewichtungsschema
verwendet, das auf den gleitenden 24-Monats-Durchschnitten des
Neugeschäftsvolumens aufbaut, um übermäßige monatliche Volatilitäten
zu vermeiden.
Den OeNB-Blog finden Sie auf der [Website der Oesterreichischen
Nationalbank]
(https://www.oenb.at/Presse/oenb-blog/2024/2024-07-01-twin-peaks-hab e
n-die-oesterreichischen-kreditzinsen-fuer-unternehmen-und-haushalte- i
hren-hoehepunkt-erreicht.html).
Autoren des OeNB-Blog: [Robert Ferstl]
(https://www.oenb.at/Geldpolitik/Forschung/oekonominnen/robert-ferst l
.html), Bernhard Graf, [Claudia Kwapil]
(https://www.oenb.at/Geldpolitik/Forschung/oekonominnen/claudia-kwap i
l.html), Matthias Meiksner
Rückfragehinweis:
Oesterreichische Nationalbank
Mag. Maria-Elisabeth Faulmann
Pressesprecherin
(+43-1) 404 20-6900
maria-elisabeth.faulmann@oenb.at
www.oenb.at
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