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Abnehmspritzen erobern den Markt und setzen Pharma-Riesen massiv unter

Druck - Der Beginn einer neue Medizin-Ära?

Düsseldorf (ots) - Ozempic, Wegovy und Mounajaro: Abnehmspritzen mit dem

Wirkstoff GLP-1 gelten als medizinische Wunderwaffe - und der Einsatz in

unterschiedlichsten Gesundheitsfeldern wächst schnell. Neue klinische Daten

zeigen, wie GLP-1 bisherigen Therapieverfahren den Rang abläuft und somit für

viele Pharmaunternehmen zum Umsatzkiller wird. Gleichzeitig sehen Experten eine

Chance für den Forschungsstandort Deutschland.

Eli Lilly, der größte Pharmakonzern der Welt, wird die aktuell heiß diskutierten

Abnehmspritzen bald in Deutschland herstellen. Rund 2,3 Milliarden Euro will

Lilly in den neuen Standort im rheinland-pfälzischen Alzey investieren und vor

Ort rund 1.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Der enthaltene Wirkstoff, das

Peptidhormon GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1) gilt bereits jetzt als Blockbuster

in der Medizingeschichte, dem Bloomberg einen 80-Milliarden-Dollar-Markt

vorhersagt. GLP-1-basierte Medikamente sorgen für den sogenannten

Inkretin-Effekt, eine erhöhte Insulinausschüttung, unterdrücken das Hungergefühl

und können in einem Jahr zu einer Gewichtsabnahme von bis zu 15 Prozent führen.

Die massiven Auswirkungen auf das gesamte Marktumfeld machten sich allerdings

bereits bemerkbar und brachten die Aktienkurse etwa bei Dialyse-Anbieter

Fresenius Medical Care oder DaVita zum Einstürzen. "Man kann also sagen GLP-1

ist der neue, große disruptive Faktor in der Pharmabranche. Allerdings stützt

sich die mit dem Präparat verbundene Marktangst meist noch nicht auf

zuverlässige Daten", erklärt Florian Leschinsky, Partner und Managing Director

bei Kearney. Auch wie die Kostenübernahme der neuartigen Arzneimittel in Zukunft

aussehen wird, stehe noch in den Sternen. Bisher müssen die Kosten für eine

Therapie mit der Abnehmspritze in der Regel aus eigener Tasche bezahlt werden.

Die FDP fordert nun allerdings, dass die gesetzlichen Krankenkassen einspringen

und die Behandlung von Übergewicht künftig als Verhinderung von

Folgeerkrankungen betrachtet wird. Was vernünftig klingt, könnte zum Fallstrick

für das deutsche Gesundheitssystems werden. Denn bekämen alle krankhaft

übergewichtigen Menschen das neue Präparat, würden sich die Arzneimittelausgaben

laut AOK, mit zusätzlichen 50 Milliarden Euro, fast verdoppeln. GLP-1-Produkte

sind aufgrund ihrer Wirksamkeit und der vielen Anwendungsgebiete, die sie

berühren, zu einer riesigen Variable in der Pharma- und Medizintechnikindustrie

geworden. Leschinsky geht von einem durchschnittlichen Umsatzrisiko für deutsche

Unternehmen im Gesundheitsbereich von 21 bis 23 Prozent bis zum Jahr 2033 aus.

Insulinmedikamente: Mehr als 600 Millionen Euro Verlust für Pharmaunternehmen

GLP-1-Produkte bedrohen den Insulinmarkt zum einen durch ihre direkte positive

Wirkung auf den Blutzuckerspiegel, zum anderen durch ihren Einfluss auf

Patienten ohne Diabetes, die andernfalls einen Typ-2-Diabetes entwickelt hätten.

"Unter Berücksichtigung von hochwertigen Studiendaten zur Verringerung der Zahl

von Prädiabetes-Patienten gehen wir von einem Rückgang der Gesamtnachfrage nach

Insulin bei Typ-2-Diabetes um 5 Prozent aus", so Leschinsky. Zusammengenommen

schätze er mit hoher Sicherheit, dass dies im deutschen Markt bis 2033 zu einem

jährlichen Einnahmenverlust aus Insulinmedikamenten von 620 bis 680 Millionen

Euro führen wird. Ähnliches gilt laut dem Experten für die Verabreichungsgeräte:

"Hier haben wir jährliche Einbußen von 270 bis 300 Millionen Euro berechnet." Im

Hinblick auf Herzerkrankungen sei die SELECT-Studie (https://www.novonordisk.com

/news-and-media/news-and-ir-materials/news-details.html?id=166301) besonders

aussagekräftig gewesen. Sie beobachtete eine Verringerung der nicht-tödlichen

Herzinfarkte bei Patienten, die das Antidiabetikum Semaglutid erhielten, um 28

Prozent. "GLP-1 wird demnach bis 2033 zu einer jährlichen Ausgabenreduzierung

von 55 bis 60 Millionen Euro in Deutschland führen", so Leschinsky. Auch die

wichtigsten Markenmedikamente für die Akutbehandlung von Herzinfarkten wurden

von Kearney analysiert und aus der SELECT-Studie eine Reduktion des Risikos von

25 Prozent abgeleitet. Dies würde bis 2033 jährliche Umsatzeinbußen in Höhe von

45 bis 50 Millionen bedeuten.

Weniger Knie- und Hüft-OPs

Zuletzt haben sich die Anzeichen gemehrt, dass Semaglutid auch bei chronischen

Nierenerkrankungen hilft. "Auf Grundlage diverser Primärdaten und

Dialysenutzungsraten bei Patienten mit Nierenversagen im Endstadium haben wir

einen Rückgang der Dialysenutzung um zwölf Prozent bis 2033 geschätzt", so

Leschinsky. Dies könnte zu einer Verringerung der jährlichen Einnahmen um 13 bis

15 Millionen Euro in Deutschland führen. Ebenso gilt Fettleibigkeit als

Risikofaktor für die Entwicklung von Knie- und Hüftarthrose. Erste Daten deuten

darauf hin, dass sich die Zahl der Kniegelenkersatzoperationen bei Patienten,

die GLP-1 erhalten, aufgrund der Gewichtsabnahme halbiert. So kann mit einem

stetigen Rückgang an Operationen gerechnet werden, der sich bei Kniegelenkersatz

noch deutlicher als bei Hüftgelenkersatz auswirken wird. "Insgesamt schätzen wir

den jährlichen durchschnittlichen Umsatzrückgang auf 90 bis 100 Millionen bei

künstlichen Kniegelenken und auf 50 bis 60 Millionen bei künstlichen Hüften bis

2033 ein", erklärt der Experte.

Auswirkungen auf den Pharma-Forschungsstandort Deutschland

An dem neuen Produktionsstandort von Eli Lilly sollen künftig Medikamente

hergestellt werden, die vor allem injiziert werden, wie etwa auch neue

Generationen von Abnehmspritzen. Auch Boehringer Ingelheim könnte in puncto

Abnehmpräparat ein attraktiver Launch gelingen. Das Pharmaunternehmen will ein

Medikament auf den Markt bringen, das neben GLP-1 auch eine Glukagon-artige

Komponente enthält, die den Energieverbrauch im Körper erhöht. Mit seinem neuen

Wirkstoff Survodutide will Boehringer Ingelheim damit nicht nur bei der

Gewichtsreduktion helfen, sondern auch die Fettleberentzündung, die im Rahmen

von Stoffwechselerkrankungen auftritt, besser adressieren. All diese

Entwicklungen zeigen: Angesichts der enormen Ausgaben der Gesundheitssysteme,

die mit Fettleibigkeit zusammenhängen - in den USA sind es etwa rund 300

Milliarden US-Dollar jährlich - werden an GLP-1-Produkte viele Hoffnungen

geknüpft. Auch hierzulande, weiß Leschinsky: "Dass Deutschland Pharma-Innovation

kann, wurde nicht zuletzt während der Covid19-Pandemie bewiesen. Deutschland ist

nach wie vor einer der wichtigsten Standorte für Forschungs- und

Entwicklungsaktivitäten der globalen Pharmaindustrie." Doch die

Wettbewerbsfähigkeit des Innovationsstandorts bröckelt schon länger. Im

internationalen Vergleich verliere Deutschland immer mehr an Boden - vor allem

bei angewandter klinischer Forschung. Trotz der Risiken für hiesige Unternehmen,

bieten GLP-1-Produkte eine enorme Chance für den Standort Deutschland. Schon die

Investitionen von Lilly und Boehringer Ingelheim zeigen die Wichtigkeit der

Region - letztendlich wird sich ihr Markt mit weiteren Produzenten noch

entsprechend steigern.

Pressekontakt:

Jana Weithaler

Public Relations

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E-Mail: mailto:jana@story-hype.com

Verena Herb

Director Marketing & Communications DACH

A.T. Kearney GmbH

Dreischeibenhaus1

40211 Düsseldorf

Tel.: +49 175 2659 363

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AXC0132 2024-07-08/11:15

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