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Börse Frankfurt-News: "Wellenbrecher" (Marktstimmung)

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Viele haben den starken Kurseinbruch zu günstigen Käufen genutzt. Ob diese Stimmungslage sein kann, bezweifelt Joachim Goldberg.

8. August 2024. FRANKFURT (Goldberg & Goldberg). Es war wohl die Kombination gleich mehrerer kritischer Komponenten, die seit unserer vergangenen Stimmungserhebung zu einer großen Abgabewelle in den Aktienmärkten geführt hat. Denn vor allem nach der am vergangenen Mittwochabend (MESZ) endenden Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank schien die Welt für viele Börsianer innerhalb von Stunden eine andere zu sein. Da waren sie dann plötzlich da, die Rezessionsängste, von denen eine Woche zuvor noch nicht viel zu spüren gewesen war. Unter anderem verstärkt durch etwas schlechter als erwartet ausgefallene Zahlen zum US-Arbeitsmarkt, die zu einem anderen Zeitpunkt von den Märkten vielleicht ganz anders wahrgenommen worden wären, in Kombination mit enttäuschenden Quartalszahlen einiger US-Tech-Unternehmen. Das alles zusammen ergab eine Melange von Angst. Zumal plötzlich das Agieren der US-Notenbank, weil als womöglich zu zögerlich kritisiert, im Nachhinein nicht gerade in günstigem Licht erschien.

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Zusammen mit der großen Abgabewelle am Montag, die auch die hiesigen Aktienmärkte erfasste, stiegen die Erwartungen für Zinssenkungen in den USA allein für die September-Sitzung auf 50 Basispunkte. Als Ausdruck der Panik zum Wochenbeginn wurde mancherorts sogar eine außerordentliche Notfallsitzung der Fed, verbunden mit einer sofortigen Zinssenkung, gefordert. Am Ende hat der DAX seit unserer vergangenen Stimmungserhebung zeitweise mehr als 8 Prozent an Wert verloren, und im Punktvergleich bleibt ein dickes Minus von 5,8 Prozent gegenüber dem vergangenen Mittwoch übrig.

Mutige Käufer in die Schwäche

Heute, fast zwei Tage später, hat sich die miserable Stimmung wieder deutlich aufgehellt. Man könnte sie fast schon als angstfrei bezeichnen. So verzeichnet der Börse Frankfurt Sentiment-Index unter den von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren ein deutliches Plus von 24 Punkten, so dass unser Börse Frankfurt Sentiment-Index nunmehr einen Stand von +13 aufweist. Dass sich der Optimismus in diesem Panel auf dem höchsten Stand dieses Jahres befindet, verdankt sich nicht nur der Tatsache, dass das Bullenlager um 21 Prozentpunkte angeschwollen ist. Interessanterweise geht dieser Zuwachs nämlich zu rund 85 Prozent auf vormals neutral eingestellte Investoren zurück. Nur der Rest stammt von vormals bearish eingestellten Akteuren, die sich vermutlich mit Gewinnen im Rücken direkt auf die Bullen-Seite gewagt haben.

Auch bei den Privatanlegern hat sich unser Börse Frankfurt Sentiment-Index in ähnlichem Umfang wie bei den institutionellen Pendants erhöht: Wir notieren einen Anstieg um 22 Punkte auf einen neuen Stand von +24. Allerdings ist die Herkunft dieses Zuwachses eine andere. Er geht nämlich fast zu gleichen Teilen (55 zu 45 Prozent) auf ehemalige Bären bzw. neutral eingestellte Teilnehmer zurück. Diese Stimmungsveränderung lässt sich allerdings nicht wie sonst durch die grundsätzlich positivere Einstellung derjenigen Anleger erklären, die wir über Social Media befragen. Dieses Mal haben sich die übrigen Privatanleger fast genauso zuversichtlich gezeigt.

Zweckoptimismus

Die heutige Befragung könnte den Eindruck vermitteln, dass viele Akteure beim DAX nicht von einem neuen Bärenmarkt, sondern nur von einer "gesunden" Korrektur ausgehen, die womöglich schon zu Ende sein könnte. Aber wahrscheinlicher ist, dass sowohl viele private als auch institutionelle Investoren wie manchmal auch schon in der Vergangenheit zumindest zum Teil auf einen kurzzeitigen Kurssprung als Folge des crashartigen Einbruchs der Aktienkurse setzen. Allerdings bleibt fraglich, wie lange die neuen Optimisten dem DAX die Treue halten werden. Vor allem, wenn sich die erhofften Kursgewinne nicht schnell einstellen sollten. Und so vermuten wir erstes Angebot aus Gewinnmitnahmen der neuen bullishen Engagements im Bereich von 17.800/850 DAX-Zählern. Die größere Gefahr besteht allerdings darin, dass der DAX den Weg dorthin nicht schafft oder längere Zeit auf dem derzeitigen Niveau verharrt. Denn die mutigen Käufer von heute (und von gestern) dürften dann schnell die Geduld verlieren und womöglich bei einer erneuten Abgabewelle schnell die Notbremse ziehen. Keine günstige Situation für den DAX also, solange nicht langfristige Nachfrage (vornehmlich aus dem Ausland) zu Hilfe kommt.

Von Joachim Goldberg

7. August, 2024, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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