FRANKFURT (dpa-AFX) - Anleger machen am stark gelaufenen deutschen
Aktienmarkt verstärkt Kasse. Der am Vortag schon schwächere Dax
zollte am Donnerstag seiner Rekordrally Tribut. Von
seiner Bestmarke bei 23.476 Punkten hat mittlerweile wieder mehr als
600 Punkte abgegeben. Von den Zinssignalen der US-Notenbank Fed
konnte der deutsche Leitindex nicht profitieren.
Zur Mittagszeit fiel der Dax um 1,36 Prozent auf 22.971 Punkte.
Zeitweise hatte er auf seiner Talfahrt sogar bis zu zwei Prozent
eingebüßt. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen gab
am Donnerstag noch deutlicher um 2,33 Prozent auf 28.955 Zähler
nach. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 rutschte
auch mit einem Prozent ins Minus.
Nach bis zu 18 Prozent Plus im laufenden Jahr beim Dax fehlt den
Anlegern neuerdings der Wille, die Kurse weiter nach oben zu
treiben. Laut dem Marktbeobachter Christian Henke vom Broker IG
werden die Blicke jetzt wieder vermehrt auf die Auswirkungen der
Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump gerichtet. Eine Erholung,
die es am Vorabend an den US-Börsen in erster Reaktion auf die
geldpolitischen Signale gab, dürfte sich am Donnerstag nicht
fortsetzen.
Erwartungsgemäß war der Leitzins der US-Notenbank Fed unverändert
geblieben. Eine Zinsprognose deutet derweil auf zwei kleine
Zinsschritte in diesem Jahr hin. Analyst Christian Reicherter von
der DZ Bank sprach von zahlreichen Unsicherheitsfaktoren, die die
Währungshüter weiter vorsichtig stimmten. Laut der Pimco-Ökonomin
Tiffany Wilding ist ein "Spagat zwischen steigender Inflation und
zunehmenden Rezessionsrisiken" notwendig. Sie sieht darin ein
Spiegelbild veränderter Erwartungen an die Handelspolitik.
Zahlreiche Unternehmen in Deutschland legten am Donnerstag Zahlen
vor. Bei RWE war das Gesamtbild mit guten
Jahreszahlen, aber einem laut Händlern "gedämpften Ausblick"
gemischt. Dies zog den Kurs des Energiekonzerns nach gutem Lauf um
fast vier Prozent nach unten.
Zum größten Dax-Verlierer wurde Rheinmetall wegen
anhaltender Gewinnmitnahmen, die sich im ganzen Rüstungsbereich
zeigten. Auch bei Banken realisierten die Anleger Kursgewinne.
Deutsche Bank und Commerzbank
verzeichneten Kurseinbußen von bis zu fünf Prozent. Diese drei
Aktien zählen in diesem Jahr zu den stärksten Dax-Werten.
Im Dax verblieben nur wenige Aktien mit positivem Vorzeichen. Ein
Plus von 0,4 Prozent gab es bei SAP , nachdem JPMorgan
den Aktien des Softwarekonzerns den Status "Positive Catalyst Watch"
verlieh und damit positive Kurstreiber in Aussicht stellte.
Im MDax gerieten die RTL-Aktien mit 7,7 Prozent unter
Druck. Bernstein-Analystin Annick Maas attestierte dem Medienkonzern
zwar ermutigende Umsätze im Streaming-Geschäft, aber auch ein
weiteres schwaches Jahr der Produktionssparte Fremantle. Nach einer
Kursrally auf ein Hoch seit mehr als einem Jahr wurden bei der Aktie
wohl auch Gewinne realisiert.
Ein zweiter großer MDax-Verlierer waren Lanxess mit
einem achtprozentigen Abschlag. Damit beschleunigte sich der jüngste
Abwärtstrend bei dem Spezialchemiekonzern nach einer Rally, die
Anfang März zu Ende ging. Am Markt wurde das Minus mit einem
enttäuschenden Ausblick begründet. Chetan Udeshi von JPMorgan
vermisst im ersten Quartal die Aussicht auf ein saisonal übliches
Anspringen der Geschäfte.
Als großer SDax -Verlierer entpuppte sich SGL
mit einem Kurseinbruch um 16 Prozent. Dafür
verantwortlich gemacht wurde eine maue Prognose mit einem Umsatz-
und Ergebnisrückgang. Die Aktien büßten ihre Kursgewinne seit Mitte
Februar mit einem Schlag ein und sackten unter ihre 21-Tage-Linie.
Die Gewinnmitnahmen im Rüstungsbereich machten sich auch bei Deutz
mit einem Kursrutsch um 13 Prozent bemerkbar. Bei dem
Motorenbauer hatte sich zuletzt auch Fantasie entwickelt, die nun
schnell schwindet. Laut dem Warburg-Analysten Stefan Augustin
dürften die zuletzt groß gewordenen Erwartungen im
Verteidigungsbereich nachlassen./tih/jha/