Lohrke: Sicherer Hafen
ist es nicht eigenartig. Da haben wir weltweit soeben eine wirklich sehr gute Quartalsberichtssaison hinter uns, die bis auf dahin dümpelnde Branchen wie z.B. die Telekommunikation überraschend und unerwartet gute Zahlen hervorbrachte. Und nur weil die amerikanische Notenbank FED ein paar Sätze zur wirtschaftlichten Entwicklung der USA los wurde und etwas mehr Liquidität in den Markt gibt, brechen die Börsen weltweit wieder ein und suchen die "sicheren Häfen" (safe haven).
Wobei Ben Bernanke, der US-Notenbankchef nicht etwa sagte, dass die amerikanische Wirtschaft in den Sturzflug übergehen würde. Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass - und ich bleibe in der Übersetzung so nah am Text wir verträglich - "der Pfad der wirtschaftlichen Erholung wahrscheinlich zunächst moderater als ursprünglich angenommen" sein wird (..the pace of economic reovery is likely to be more modest in the near term than had been anticipated...).
Und so gingen die Zinsen nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig auf historisch niedrige Niveaus. Die Kurse der Staatsanleihen steigen aufgrund der Nachfrage. Analog sinken die Zinsen. Und so werden auch andere vermeintlich "safe haven" gesucht, wie z.B. Gold, das allein gestern schon wieder um etwa +2 % gestiegen ist.
Auch, wenn der Bezug jetzt etwas weit hergeholt sein mag, so bauen derzeit drei japanische Reedereien (Mitsui OSK Lines, Nippon Yusen und Itochu) gemeinsam mit den staatlichen Vietnam National Shipping Lines ebenfalls einen Haven, also Hafen. Und zwar im Nord-Osten Vietnams bis 2015. Damit deren Schiffe nicht mehr den Umweg über Hong Kong nehmen müssen, sondern die USA von Vietnam direkt anlaufen können. Er wird 855.000 TEUs umschlagen und große Containerschiffe von 8.000 TEU abfertigen können. Und vor nicht allzu langer Zeit habe ich die Pressemitteilung wiedergegeben, dass die japanischen Reeder zahlreiche Schiffe für den Seetransport zwischen China bzw. Brasilien und den USA bestellt haben und in 2013 (soweit mich meine Erinnerung nicht täuscht) in Betrieb nehmen wird. Und alles wird "safe", also sicher sein.
Nun stellt sich natürlich die Frage, warum Reeder so etwas machen, wenn die USA angeblich auf dem absteigenden Ast sein soll. Das macht irgendwie keinen so rechten Sinn. Und dass die japanischen Reeder so schlechte Kaufleute sind, kann ich mir auch irgendwie nicht so recht vorstellen. Im Gegenteil. Vielleicht sind sogar weitsichtiger als mancher von uns.
Und so stellt sich die Frage, welcher haven saver ist. Der Staatsanleihen Hafen von hochverschuldeten Staaten oder der vietnamesische Hafen, der realwirtschaftlich getrieben ist.
Da ich - wie Sie wissen - in Staaten und deren Repräsentanten nicht gerade allzu großes Vertrauen setzte, neige ich dem letzteren zu. Mein safe haven ist die Realwirtschaft. Allein aus dem Grund, weil nur die Realwirtschaft, sprich Unternehmen Werte schaffen. Und so würde ich die Investition in einen vietnamesischen Containerhafen einer Investition in Gold oder Staatsanleihen zu jeder Zeit vorziehen.
Safe haven besteht nämlich aus zwei Worten. Safe und haven. Und, wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf. Verhalten Sie sich ähnlich. Auf die Dauer fahren Sie mit Anteilen besser als mit Anleihen. Und so kann es sein, dass ein Schiff, das auf den Wellen dahin reitet und diesen scheinbar ausgeliefert ist, sicherer sein kann, als z.B. eine Bank, die auf festem Boden steht. Es lohnt sich darüber nachzudenken.